Die Akte Pierre Pate – oder wie sich der Kreml in französische Angelegenheiten einmischte
In dem Bericht „Im Interesse eines anderen Staates. Das Problem der Identifizierung und Bekämpfung von Einflussagenten“ des nationalen Instituts strategische Forschungen wird dargestellt, wie der Kreml schon während der Sowjetzeit eine Gruppe von Einflussagenten unter französischen Journalisten zusammen stellte. Über eine dieser Episoden berichtet politua.org.
Die Unfähigkeit der Justiz westlicher Staaten, sowjetische Einflussagenten strafrechtlich zu verfolgen, sogar wenn die Schuld eindeutig bewiesen werden konnte, motivierte die UdSSR ihre Medien-Präsenz in Europa auszuweiten. Anfang der 1970 iger Jahre bis in die Mitte der 1980 iger Jahre hats die Sowjetunion systematisch die Finanzierung seiner Einflussagenten im Ausland ausgeweitet. Das kann man nicht nur mit der Bedeutung ihrer Arbeit erklären, sondern auch mit den unzureichenden Mitteln des Westens, diesen zu widerstehen.
Vor diesem Hintergrund muss man den relativ erfolgreichen französischen Versuch sehen, dem Wirken der Einflussagenten entgegenzutreten. Der Fall P. S. Pate hatte vor allem demonstrativen Charakter und kann eher nicht als erfolgreiches Beispiel angesehen werden. Zudem war es ein einzelner Versuch und mit fünf Jahren Haft eine eher unbedeutende Strafe. Wenn man die Schwierigkeiten während der Ermittlungen betrachtet, dann wird dieses Urteil kaum andere potenzielle Kandidaten davon abhalten, als Einflussagenten für die sowjetische Aufklärung tätig zu werden.
Im Jahr 1980 wurde der französische Journalist P. S. Pate offiziell beschuldigt, mindestens seit 1959 als sowjetischer Einflussagent tätig zu sein.
Pate war nie Mitglied irgend einer Partei, stand aber der Sowjetunion, besonders der Periode Stalins sehr nahe. Seine Rekrutierung begann nach der Veröffentlichung des pro-sowjetischen Aufsatzes „Phenomene sovietique“ – „Das sowjetische Phänomen“ Pate wurde zu Gesprächen in die sowjetische Botschaft eingeladen. Während dieser Treffen bestärkte man ihn in seinem Bestreben über sowjetische Themen zu schreiben, sowie in der Umsetzung seines Traumes, eine kleine eigene Zeitung herauszugeben. Diese Zeitung, die „Synthesis“ hieß, wird von Pate seit 1976 herausgegeben. Die Mittel dafür stellte der KGB zur Verfügung.
Die in seinen Artikeln aufgeworfenen Fragen führten zu heißen Diskussionen in der westlichen Gesellschaft und trennte sie in zwei verfeindete Gruppen: Perspektiven der Entwicklungen in der DDR, die soziale Krise in der BRD, die Notwendigkeit der NATO und viele andere, ebenso kritische Themen. Die sowjetische Aufklärung, die den Kontakt zu Pate unterstützt, lenkt seine journalistische Aktivität auf die sowjetischen militärische Präsenz in der Welt als Antwort auf die amerikanischen Aktivitäten. Genau so, wie die Propaganda-These, dass die Sowjetunion die Atombombe nur zur Verteidigung des eigenen Landes einsetzen wird.
Die Artikel von Pate sind nicht nur in der Zeitung „Synthesis“ erschienen, sondern auch in auflagenstarken Zeitungen, wie France Observateur, Libération, Événement d’Astier de la Vigerie, Réalités, Options und anderen Zeitschriften. Manchmal sind die Arbeiten unter dem Pseudonym Charles Moran erschienen. Dank der systematischen finanziellen Unterstützung des KGB erstellte der Journalist auch geschlossene Mailinglisten, die regelmäßig bei den Redaktionen vieler Zeitungen, Parlamentsabgeordneten (mindestens 70% der Mitglieder der Nationalversammlung und 50% der Senatsmitglieder) sowie ausländischen Botschaften eingehen. Ein Teil seiner Artikel (nach unterschiedlichen Angaben waren es in 20 Jahren über 100 Werke von Pate) wurden ihm von seinen Kuratoren vom KGB fertig übergeben, damit er sie unter seinem Namen veröffentlicht. Im Laufe der Untersuchung hat P. S. Pate seine Schuld vollständig eingestanden.
Die Liste der Anschuldigungen, die Pate vom französischen Nachrichtendienst ausgehändigt bekam, enthielt auch Handlungen, die auf die Diskreditierung einzelner Personen oder Institutionen gerichtet war. Seine Arbeit zielt auf die Veränderung der öffentlichen Meinung ab, von der die Sowjetunion profitieren würde. Anklage wurde gemäß Artikel 3 Absatz 80 des französischen Strafgesetzbuches erhoben: „Unterstützung geheimer Beziehungen mit Agenten eines fremden Staates, die die militärische oder außenpolitische Position Frankreichs oder seine wichtigsten wirtschaftlichen Interessen schädigen können“ (Abschnitt „Verrat und Spionage“).
Am 22 Mai 1980 verurteilte das französische Staatssicherheitsgericht Pate zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Bereits 1981 wurde er durch einen besonderen Erlass des französischen Präsidenten begnadigt. Zu dieser Zeit ist Pate 71 Jahre alt.
Man muss dazu sagen, dass damals wie heute, Journalistenverbände gegen die Inhaftierung des Journalisten protestiert haben. Die nationale Gewerkschaft der Journalisten Frankreichs beschuldigte die Behörden der Willkür und dem Fehlen einer ausreichenden Beweisgrundlage, um Pate wegen Spionage zu verurteilen.
Der Fall Paté hat deutlich gezeigt, dass eine Person 20 Jahre lang zerstörerische Aktivitäten durchführen kann, ohne von den Geheimdiensten gesehen zu werden. Nach unterschiedlichen Angaben ist die französische Gegenaufklärung Pate ganz zufällig aufgefallen. Man überwachte den Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft Igor Kuznetsov wegen des Verdachts auf Spionage, der sich mit Pate traf. Das war einst ein Beweis vor Gericht.
Der Fall Pate zeigt auch, dass der Missbrauch der Meinungsfreiheit im Interesse eines anderen Staates nur sehr schwer zu beweisen ist. Wenn der Agent nicht an anderen illegalen Aktivitäten beteiligt ist, ist eine Verurteilung nahezu unmöglich.
Wie zuvor die Gruppe „Informationeller Widerstand“ geschrieben hat, von Damaskus nach Paris: destabilisierende Aspekte des hybriden Krieges des Regimes Putins.