Fordern wir den Sowok heraus

Was verstehen die Russen nicht in der Geschichte von Zelensky? Viele waren schockiert über Zelenskies Ansprache zum Neuen Jahr. Aber dem Schauspieler und Show-Mann war nicht bewusst, dass er Putin, Lukaschenko, Nasarbajew und andere ewige Herrscher der sowjetischen Wählerschaft heraus. Vitaly Portnikov veröffentlichte den Artikel auf „Grani.Ru„.

Fast 30 Jahre, während des ersten Kongresses der Volksdelegierten der UdSSR, versuchte der heute fast vergessene Alexander Obolensky seine Kandidatur für das Amt des des Vorsitzenden des Obersten Sowjets der UdSSR als Gegenkandidat vorzuschlagen, schreibt Vitaly Portnikow auf „grani.ru„.

Die Teilnehmer des Kongresses sowie die Mehrheit der sowjetischen Bürger waren über diesen Versuch entsetzt. Er wurde nicht einmal mehr in die Abstimmungslisten aufgenommen. Unabhängig von der ersten alternativen Bewerbung für das Amt des Generalsekretärs der ZK der KPdSU in der Geschichte der Sowjetunion wenige Monate vor dem Kongress, erschien dem Volk die Herausforderung als Gotteslästerung.

Damals hätte man meinen können, dass all dies vorübergehend sei und dass man sich nach mehreren Wahlzyklen über die Bedeutung von Alternativen und Wettbewerb im Klaren sein würde. Aber im Falle von Russland war das eine Illusion.

Nach drei Jahrzehnten empfinden die Behörden den Erfolg alternativer, dienstleistungsorientierter, von der Kreml-Opposition kontrollierter Gouverneurskandidaten als persönliche Beleidigung. Und der Präsident kann sich nicht selber zwingen ihnen zu ihrem Sieg zu gratulieren.

Über den Präsidenten möchte ich noch gar nicht sprechen. Der Gewinner der ersten und letzten alternativen Präsidentschaftswahl der RSFSR Boris Jelzin bevorzugte als Alternative die Erbmonarchie, die nur aufgrund von Missverständnissen als moderne Republik gilt.

Jelzin übergab die Macht an Wladimir Putin, den gewählten Vertreter seiner eigenen Familie. Gleichzeitig zerstörte eine von Oligarchen kontrollierte Informationsmaschinerie mögliche Konkurrenten des KGB-Zaren. Putins Nachfolger Medwedew wurde persönlich zum Staatsoberhaupt gewählt. Putins Rückkehr in den Kreml war das Ergebnis von Vereinbarungen mit der ersten Person.

Die Russen spielten dabei eine Statistenrolle. Niemand fragte ernsthaft und sie werden auch nicht fragen. Der nächste Präsident Russland wird auf persönlichem Befehl Putins das Amt übernehmen. Oder auch in Folge eines Putsches, der das Putin Regime beenden wird. Und die Bewohner Russlands werden die Ergebnisse des Putsches in außerordentlichen Präsidentschaftswahlen legitimieren. So nach dem Motto: Hallo, hier ist ihr neuer Präsident.

Aber das aller Schlimmste ist nicht einmal die Willenlosigkeit und fehlende Bereitschaft der Russen an der Verwaltung des Staates teilzuhaben. Nein, es ist dieser Infantilismus, dass alles als Segen zu empfinden. Das kann man als Reaktion der russischen Medien auf die Entscheidung des ukrainischen Schauspielers Volodymyr Zelensky verstehen, an den Präsidentschaftswahl teilzunehmen. Die eklatante Verhöhnung, die Behauptung, diese Nominierung sei ein Beleg für die Verschlechterung des ukrainischen politischen Systems. Aber warum eigentlich?

Aber es klar, dass der Show-Mann Zelenskiy noch weniger bereit ist, die Ukraine zu regieren, als der Abgeordnete Obolensky die Sowjetunion. Es ist klar, dass er seine Aussage nicht mit der Aussicht auf Erfolg gemacht wurde. Es war mehr ein Element der Fernsehwerbung in einer populären Show. Vielleicht auch in Erwartung des parlamentarischen Erfolgs einer neuen Partei mit den Ambitionen des Oligarchen Igor Kolomojskij. Na und?

Manchmal ist es völlig unverständlich, dass Menschen ein Sensationsgefühl wahrnehmen, wenn ein normaler Bürger seine Teilnahme an Wahlen erklärt und nicht ein Berufspolitiker. Aber ist das nicht Demokratie? Es ist nicht klar, ob Bürger in einem Land, dass sich in der Findung seiner nationalen Identität befindet, bereit sein werden, für einen Landsmann jüdischer Herkunft stimmen, noch dazu nur russischsprachig. Ist das Demokratie?

Wenn es Vladimir Zelensky nicht geben würde, müsste man ihn erfinden. Schon um zuzeigen, wie weit sich Russland und die Ukraine in diesen 30 Jahren voneinander entfernt haben. Zelensky forderte nicht Petro Poroshenko mit seiner Kandidatur heraus, der bereit ist um die Position in fairen und demokratischen Wahlen zu kämpfen. Nein er forderte völlig unbeabsichtigt Wladimir Putin, Alexander Lukaschenko, Nursultan Nasarbajew und einige andere ewige Herrscher der Sowok-Wählerschaft heraus. Und genau diese Leute werden zu persönlichen Feinden des Komikers. Sie werden ihn wirklich hassen.

Vitaly Portnikov, „Grani.Ru„.