Lisa hält uns in Atem

Der Beginn des Ukraine-Konfliktes 2014 war gleichzeitig auch der Beginn einer beispiellosen Desinformations-Kampagne durch die russischen Medien. Den Fall »LISA« haben wir noch vor Augen. In den sozialen Netzwerken wurden Informationen gestreut, dass ein 13-jähriges Mädchen mit russischen Wurzeln (Russlandsdeutsche) schon über 30 Stunden verschwunden sei und von Flüchtlingen vergewaltigt wurde. Ja, es mussten unbedingt Flüchtlinge sein. Dank der schnellen Aufklärungsarbeit der Polizei wurde das Mädchen bei einem Freund gefunden. Sie wurde nicht vergewaltigt.

Russische Medien im In- und Ausland griffen die Geschichte auf und hatten überhaupt keine Zweifel an der Richtigkeit. In manchen Quellen ist von 150 russischsprachigen Sendern die Rede. Selbst der russische Außenminister Sergej Lawrow wandte sich öffentlich an die deutschen Behörden und forderte eine lückenlose Aufklärung.
Interessant dabei ist, dass eine hochrangiger Regierungsvertreter sich die Zeit nimmt, sich in die Arbeit einer kleinen Berliner Polizeidienststelle einzumischen. Zur selben Zeit ereignen sich zahlreiche gleichartige Fälle in Moskau und in ganz Russland. Dafür hatte der russische Vertreter weniger Interesse.

Russische Medien

Russische Medien (Quelle Pixabay user: EvgeniT)

Die Aussage des russischen Außenministers Sergej Lawrow eine offene Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates. Diese Methodik kennen wir seit vielen Jahren aus der russischen Außenpolitik, dem Umgang mit der Ukraine und anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion.

Im selben Augenblick organisierten russlandsdeutsche Gruppen in Deutschland zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen in zahlreichen Städten in Deutschland. Die Plakate und Losungen gleichen sich wie ein Ei dem Anderen. Auf ihnen finden sich Losungen wie »Wir wollen mehr Sicherheit«, »Lisa wir sind mit Dir«, »Heute mein Kind, morgen Dein Kind« oder »Hände weg von unseren Kindern«. Also alles Losungen, die das eigentliche Thema weit überzeichnen, die polarisieren und die Gesellschaft spalten sollen. Die größte mediale Aufmerksamkeit genossen die russlandsdeutschen Demonstranten bei einer Veranstaltung vor dem Bundeskanzleramt.

Auffällig hier ist die schnelle Reaktion großer Gruppen in verschiedenen Orten des Landes. Auch die Plakate, Reden und vor allem Busse für die Demonstranten waren organisiert. Es ist durchaus vorstellbar, dass die Demonstrationen auch als Kaffeefahrten angeboten wurden. Eine Bedingung solcher Fahrten ist oft die Teilnahme an diversen Veranstaltungen. Das erfordert eine langfristige Planung.

Wir können heute davon ausgehen, dass die ganze Aktion langfristig vorbereitet wurde. Es ist auffällig das 150 russische Fernsehsender, kurz nach bekanntwerden, mit umfangreichen Material an die Öffentlichkeit gehen konnten. Auch die zahlreichen gut organisierten Veranstaltungen landesweit mit ähnlichen Transparenten sprossen wie Pilze aus dem Boden. Wie kommt ein Außenminister dazu, sich offen in die Polizeiarbeit eines souveränen Landes einzumischen.

Wir wissen heute, dass die sozialen Netzwerke bei der Verbreitung der Informationen eine entscheidende Rolle spielten. Die Neuigkeiten verbreiteten sich in Windeseile. Die Quelle konnte nicht ausfindig gemacht werden. Wir konnten beobachten, wie effektiv die sozialen Netzwerke als Waffe eingesetzt werden können.

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Soziale Netzwerke Quelle: pixabay, user: geralt

Wenn wir uns den Ablauf noch einmal aus methodischer Sicht vor Augen führen, finden wir alle vier Narrative der hybriden Kriegsführung Bluff, Erpressung, Lügen und Zynismus wieder.

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Narrative

In seinen jährlichen Berichten warnt der Bundesnachrichtendienst immer wieder vor möglichen Angriffen auf verschiedenen Ebenen. Besonders im Umfeld der bevorstehenden Bundestagswahlen sei mit derartigen Kampagnen zu rechnen. Sind wir darauf vorbereitet? Warten wir es ab!