Perspektiven der russischen Wirtschaft
Eine Übersetzung des Artikels von sprotyv.info.
Wie toll klangen doch die offiziellen Reden und Stellungnahmen der Kreml-Führung über die aufstrebende russische Wirtschaft. Im richtigen Leben sieht das leider anders aus. Die russische Wirtschaft befindet sich weiterhin in einer Stagnation und Rezession. Die offiziellen Zahlen des stattlichen russischen Statistikamtes (RosStata) vom 17.03.2017 zeigen das vollständige Bild der russischen Wirtschaft für den Monat Februar 2017.
Produktionsrückgang
In Übereinstimmung mit den Daten von RosStata schrumpfte die russische Wirtschaft im Februar um 2,7 %. Die Produktion und Fertigung sind im selben Zeitraum um 5,1 % zurückgegangen. Das ist das erste Mal seit Anfang 2009.
In diesem Fall wird die dynamische Entwicklung der Einkommen, des Einzelhandelsumsatzes und der Bauindustrie im Februar 2017 gleich beurteilt, wie die industrielle Produktion. Die Realeinkommen der russischen Bürger fielen im Februar, gegenüber dem Januar, um 4,1 %. Im Januar war aufgrund von Einmahlzahlungen (Weihnachtsgeld) ein Einkommenswachstum von 8,1 % zu verzeichnen.
Einkommen der Bevölkerung
RosStata hat auch festgesellt, das das reale Pro-Kopf Einkommen der Bevölkerung von 2013 bis 2016 um 15-16% gefallen ist. Aber RosStata manipuliert auch Inflations-Indikatoren. Man behauptet zum Beispiel, das im Zeitraum zwischen 31.12.2015 und dem 31.12.2016 die Einzelhandelspreise nur um 5% gestiegen sind und sich die Nachfrage nur um 1 % verringert hat. Unabhängige Experten gegen davon aus, dass die Einzelhandelspreise im Jahr 2016 um mindestens 12 % gestiegen sind. Das bedeutet, dass Umsatz des Einzelhandels im vergangenen Jahr um 8 – 10 % gefallen ist. Ähnliche Manipulationen findet man in den Daten der Jahre 2014-2015. Für den Zeitraum von 2013 – 2016 gehen Experten davon aus, dass dieser Wert um 30-35 % gesunken ist. Die Einzelhandelsumsätze und die Einkommen der Bevölkerung fielen offenbar im gleichen Verhältnis.
Die Situation wird sich in naher Zukunft nicht ändern. Auch der Markt für langlebige Güter ist im Februar zurückgegangen (nach den Angaben europäischer Unternehmen ist der Autoabsatz in Russland im Monat Februar um 4,5 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen). In Moskau selber wurden im Monat Februar 35 % weniger »Zweitwohnungen« im Vergleich zum Vorjahr verkauft. Auch die Kundenanfragen sind um das 2,3-fache zurückgegangen. Der Immobilienmarkt droht an der sinkenden effektiven Nachfrage und den sinken Einkommen der Bevölkerung zu ersticken. Die Anzahl der Verkäufe in der Hauptstadt ist der niedrigste in den vergangenen 10 Jahren. Verglichen mit dem Mittelwert von 2007 ist der Wert drei Mal niedriger als der normale Wert.
Einzelhandelsumsätze
Wie das RosStata feststellte, sind die Einzelhandelsumsätze in den vergangenen 26 Monaten stark zurückgegangen. Nach Ansicht von Experten wird Russland unter den Bedingungen der Sanktionen große Probleme haben, die Situation in den Griff zu bekommen, wenn die Einzelhandelsumsätze um 19% gefallen sind.

Wirtschaftsentwicklung in Russland (Quelle: pixabay.com user: geralt)
Steuerreform
Die russische Regierung versucht die Situation mit der Wiedreinführung der Umsatzsteuer, der Erhöhung der Mehrwertsteuer und dem Aussetzen Exportsteuererstattung (22%) in den Griff zu bekommen. All die Maßnahmen werden zu einer Steigerung der Verbraucherpreise führen und die Verarmung der Bevölkerung beschleunigen. Aber das Volk wird weiterhin treu »Krim nasch« und »Schult, ist die Junta und die Vereinigten Staaten« schreien, und die wahren Schuldigen ihrer Not nicht sehen.
Unter dem Druck der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen sieht die Regierung eine Besserung der wirtschaftlichen Situation, ein Wachstum. Unter diesem Eindruck wird die Steuereform angelegt, um die Staatskasse zu füllen. Der Zusammenbruch der Ölmärkte wird dabei völlig ignoriert.
Das Finanzministerium plant die Mehrwertsteuer von derzeit 18 % auf 22 % anzuheben. Gleichzeitig sollen die Beiträge der Firmen für jeden Angestellten zum Sozialfond von derzeit 30 % auf 22 % abgesenkt werden.
In diesem Szenario wird die Mehrwertsteuer auf 22 % erhöht und die Versicherungsbeiträge der Unternehmer auf 22 % reduziert. Experten rechnen mit zusätzlichen Haushaltseinnahmen von 180 Mrd. Rubel. Mit anderen Worten, die Belastung für Unternehmen und Geschäftsleute wird verringert und die Belastung für die einfachen Menschen erhöht.
All die genannten Veränderungen sind für 2019 geplant. Bei dem derzeitigen Ölpreis wird das Haushaltsdefizit, bei einer sehr konservativen Schätzung, bis 2020 von 1,5 % auf 2,5 % des BIP anwachsen.
Ölquellen
Außerdem muss man berücksichtigen, dass die russischen Ölquellen erschöpft sind und die Ölförderung wesentlich aufwendiger ist. Alle Ölfelder, die noch zu Zeiten der Sowjetunion gefunden und erschlossen wurden, sind aufgrund der intensiven Förderung inzwischen erschöpft. Weitere Ölfelder, die man genau so kostengünstig und einfach ausbeuten kann, wurden bisher nicht gefunden.
Der Minister für Bodenschätze S. Donskij hat am 20. März dem Präsidenten Wladimir Putin bei einem Treffen darüber informiert, das fast alle Ölreserven erschlossen und gefördert wurden. Nach seinen Aussagen wurden bisher 6% der erschlossenen Vorkommen noch nicht gefördert. Russland wird im Jahr 2017 auch keine Auktion über die Schürfrechte Ölreserven durchführen. Der Leiter von RosNedr E. Kiselev hat auch bereits angekündigt das der Fond und die Lagerstätten erschöpft sind. Die durchschnittliche Größe der in den vergangenen zwei Jahren entdeckten Lagerstätten betrug ca 1,7 Mio Tonnen an Kohlenwasserstoffen.
Gemäß der »Strategie zur Entwicklung der fossilen Brennstoffbasis (Rohstoffbasis) der Russischen Föderation bis 2013« teilte RosNedr mit, das Russland noch maximal 3-4 Jahre Öl auf dem heutigen Niveau fördern kann. Laut den Experten wird der Produktionshöhepunkt im Zeitraum 2020 – 2022 erwartet. Danach wird die Förderung jährlich um ca. 10 % zurückgehen. Bis zum Jahr 2035 wird die Ölförderung fast halbieren, von 11 auf 6 Barrel pro Tag.

Ölspeicher (Quelle: pixabay.com user: geralt)
Das geförderte Öl wird in Russland selber benötigt. Daher wird es zu einem starken Rückgang der Exporte kommen. Dies wiederum wird zu einem Haushaltsdefizit führen. Experten gehen davon aus, das die Regierung in Moskau die Druckerpressen anwerfen werden und es zu einer Inflation und weiteren Verarmung der Bevölkerung kommen wird.
Vor diesem Hintergrund und der langfristigen Prognose zur Nachfrage nach Erdöl sieht das Vorgehen der russischen Erdölindustrie sehr seltsam aus. Beispielsweise hat die russische Ölgesellschaft Rosneft, die 28 Lizenzen zur Förderung vor Erdöl (Fördermenge 34 Mrd Tonnen) auf dem arktischen Festlandsockel hält, die Erkundungsbohrungen wieder aufgenommen. In den Jahren 2011 -2016 hat Russland hier 100 Mrd Rubel erfolglos investiert. RosNeft hat ein Vielfaches dieser Summe eingeplant.
Gazprom
Die Situation für den russischen Gasmonopolist ist sehr schwierig. Der russische Monopolist hat praktisch vor der Europäischen Kommission kapituliert, als er versprach seine Geschäftspraktiken zu ändern und seine Stellung auf dem Markt nicht auszunutzen.
Zur gleichen Zeit teilte der türkische Botschafter in Moskau mit, das der Bau weiterer Gasleitungen von den Vereinbarungen Russlands mit der Europäischen Union abhängig sei. Mit dieser Aussagen wurde die Meinung von Experten bestätigt, das das Anerkennen der Bedingungen der EU durch Gazprom bedeutet, das die Politik der Bypass-Pipeline nicht funktioniert und Gas nicht beliebig gehandelt werden kann.
Natürlich kann Russland auf ausländische Investitionen und technologische Unterstützung hoffen. Das wird die kritische finanzielle Situation Russlands aber nicht ändern.
Der asiatische Markt
Auch die Hoffnung auf China ist eine Illusion, deren Wirtschaft mit Weltwirtschaft eng verzahnt ist. Die Führung gab Russland auch zu verstehen, das man kein Interesse daran hat, die russische Wirtschaft zu finanzieren und sie mit ihren Technologien zur versorgen, das es nationalen Interessen widerspricht. Ein weiteres Signal an Moskau war die Ablehnung eines Kredites in Yuan. Die chinesische Seite hat diese Idee immer mit Skepsis betrachtet und jetzt, wo die Goldreserven die kritische schwelle (2,8 Trillion USD) erreicht haben, hat dieses Projekt mit dem Hinweis des Kapital-Abflusses ganz aufgeben.
Lebensqualität
Nach der Rangliste von »Numbeo« entspricht die Lebensqualität in Russland bereits der in Weißrussland, der Ukraine, Indien oder Ägypten. Das Bild wird vervollständigt, wenn man den katastrophalen Zustand der Verkehrs-, Wohnungs- und kommunalen Infrastruktur sieht, die zu 85-90% unbrauchbar ist.

Ein Haus in Russland (Quelle pixabay.com user: alicefoxa)
Zusammenfassung
Die russische Wirtschaft setzt ihre Talfahrt fort, wie auch die Industrie, die einen Rekordwert erreicht, ebenso der Rückgang der Nachfrage und die Verbindlichkeiten auf Einkommen. In dieser Situation sieht die russische Regierung keine Alternativen zu Steuererhöhungen, welche unweigerlich zur Verarmung der einfachen Bevölkerung führt, die den bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch hartnäckig ignoriert.
Beneidenswert ist der Fanatismus der russischen Bevölkerung, die weiterhin zu Putin stehen, die die Informationen im russischen Staatsfernsehen glauben, über »Krim nasch« oder »Nas na Donbasse net«. Alles, ohne zu wissen, das sie die Abenteuer des Regimes Putins finanzieren. All dies ist ein Ort der guten Straßen, glücklicher Kinder und des Respektes für Russland als Staat, der friedlich mit seinen Nachbarn zusammen lebt.
Quellen
Autor | Die Abteilung »Delta« bei der Gruppe »IW« |
Textquelle | http://sprotyv.info |
Bildquelle | www.sproty.info und www.pixabay.com user: geralt und AliceFoxa. |
Übersetzer | Thomas Bergmann |
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