Russische Bazillen
Immer wieder tauchen in den Medien myteriöse Berichte über Labore Forschungseinrichtunen auf, die angeblich amerikanische Spezialisten unterhalten sollen. Ziel sei es immer irgendwelche Kampstoffe herzustellen oder an der örtlichen Bevölkerung zu testen. Die Gruppe „Bravo“ von „Informationeller Widerstand“ ist dem Thema mal etwas genauer nachgegangen. Das russische Original des Artikels finden Sie unter sprotyv.info.
Vor kurzem tauchte das Thema des »Labors, in dem, die Militärs der USA tödliche Viren produziert« nicht zuerst in den pro-russischen Medien auf. Die Web-Site des Kreml „ukraine.ru“ alleine zählte „entweder 13 oder 15“.
Eine erneute Aktivierung der altbekannten Fake-Nachricht erfolgte im September, so wie man es aus den Bräuchen der Branche kennt.
Alles begann damit, das der ehemalige KGB-Mitarbeiter der Georgischen SSR (1973 – 1991) und Minister für Staatssicherheit Georgiens (1993 – 1995) Igor Giorgadze, der seit 1995 von den georgischen Behörden wegen seiner Beteiligung am Mord des Präsidenten Eduard Shevardnadze gesucht wird und sich in Russland versteckt, die Geschichte mit den amerikanischen Labors vorschlug. Richard Lugar arbeitete 2011 bei Tiflis offen an der Entwicklung bakteriologischer Waffen. Georgadze behauptete, das er „hundert tausende Seiten an Dokumenten“ in den Händen hielt, die über die Arbeit des Labors berichten, welches zur Beobachtung der epidemiologischen Situation und für epidemiologische Studien in der Region gegründet wurde. Er hat auch behauptet, das dort Versuche an Menschen durchgeführt werden, von denen an einem Tag 24 Personen gestorben sein sollen.
Aber Giorgadze präsentierte keiner der »hunderttausend Seiten« und die wenigen verbreiteten Screen-Shots waren nicht exklusiv und erweckten kein großes Vertrauen. Die Namen der ermordeten Personen hat er auch nicht genannt. Der flüchtige Minister schwang weiterhin seine Reden: angeblich und jeder, und man müsse alles genau untersuchen. Nun, überprüfen wir zusammen die Expertenmeinung der Unterlagen, die uns vorliegen. Aber die Unterlagen, eben jene hunderttausend Seiten, welche das so seltsam in der Luft schwebten, widerlegen alle Fakten und Erfindungen Giorgadze vollständig, wie sich Journalisten überzeugen konnten. Es erwies sich alles als Lüge, sogar die Behauptung, dass amerikanische Spezialisten das Labor unter diplomatischem Schutz führten. Die Lügen von Giorgadze verbreiteten sich im Internet, einschließlich zahlreicher Details.
Ähnliche Anschuldigungen gegen das Labor von Lugar in Tbilisi hat es auch schon vorher gegeben und können als Test angesehen werden. Eine umfassende Informationsattacke hat erst heute begonnen. Nach der Veröffentlichung der Fake-Nachrichten Georgadzes haben russische Medien begonnen, einer nach dem anderen, über amerikanische Labors zu berichten, die in der Ukraine bakteriologische Waffen produzieren. Die Kampagne wurde offensichtlich zentral gesteuert, mit den entsprechenden gegenseitigen Querverweisen, um die eigentliche Quelle zu verschleiern, Aber im Falle der Giorgadze Kampagne wurde die Geschichte mit neuen Schrecken erweitert, so stieg die Anzahl der Labors drastisch an. Stimmt, im Falle von Giorgadze haben wir über bestimmte bekannte Labors gesprochen, deren Adressen wir kannten. Werden Sie das nachprüfen? Die Informationen beschränkten sich auf vage Piratenschemata – eine achtlos gezeichnete Karte mit einem Kreuz – sie sagen, irgendwo hier muss man graben.
Es ist interessant, dass alle Quellen und Publikationen über die Ukraine auf den »berühmten ukrainischen Anwalt Renat Kuzmin« verweisen, der im Juni 2014 ein Verfahren wegen Hochverrats eröffnet wurde und der sich wie Giorgnadze in Russland aufhält. Im Gegensatz zu Giorgnaze berichtete Kuzmin nicht über Details, welcher vermutlich in seinen Lügen gefangen ist. Das einzige seiner Argumente wurde „die Ausbreitung seltsamer Epidemien in der Ukraine: Influenza, Masern, SARS oder der Schweinepest“.
Man muss dazu sagen, dass sich Kuzmin sich zweimal gewendet hat. Erstens ist der Ausbruch einer Krankheit noch keine Epidemie. Zweites gibt es für alle Ausbrüche gefährlicher Krankheiten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, so auch in der Ukraine, rationale Erklärungen, einschließlich der ermittelten Infektionsquelle und die Ursachen ihrer Ausbreitung. Gründe dafür gibt es dafür viele: Erstens ist die Welt global und ein Träger einer exotischen Infektion kann aus allen Ecken der Welt einreisen. Zweitens muss man sagen, dass dank der Anti-Impf-Kampagnen die Quelle im russischen Staatsfernsehen und der Boulevardpresse gezeigt wurden. Drittens wird die Ausbreitung von Krankheiten nicht selten zur Gier: Das Fleisch der infizierten Tiere wird nicht vernichtet, sondern wieder in den Verkauf geschickt.
Aber in einigen Verdachtsfällen weisen die Untersuchungen auf Sabotage hin, allerdings nicht auf amerikanische, sondern auf russische. Wir zeigen eine Reihe von Argumenten, die auf russische Beteiligung hindeuten.
Erstens hat Russland bereits in Großbritannien und Syrien bereits chemische Kampfstoffe eingesetzt. Wir sprechen nicht über moralische Barrieren: Wenn der der Kreml seine Gegner mit Novitschok ausschaltet, warum sollten sie auch Anthrax einsetzen. Anthrax war das Lieblingsthema sowjetischer Hersteller bakteriologischer Waffen, an denen sie seit dem 20. Jahrhundert in der Sowjetunion gearbeitet haben. Und genau bei der Erkrankung mit Anthrax gibt es eine große Anzahl von Fällen, deren Ursache nicht eindeutig geklärt werden konnte.
Zweitens: Die Krankheiten treten immer überraschend günstig für die russischen Propagandisten auf: vor Wahlen, Vertragsverhandlungen und anderen wichtigen politischen Ereignissen.
Drittens: Die gefährlichsten Ausbrüche unterschiedlicher Krankheiten ereigneten sich im grenznahen Gebieten zu Transnistrien und Moldawien. In Transnistrien gibt es einen russischen Militärstützpunkt. Es ist recht einfach, die bakteriologischen Waffen dorthin zu bringen und mit den vorhandenen Ressourcen heimlich einzusetzen. Charakteristisch dabei ist, dass in Transnistrien die Krankheit nie festgestellt wurde, im Umfeld dagegen schon. Natürlich spielt dabei auch eine Rolle, dass sich die Medizin, besonders die Epidemiologie, in vollständiger Auflösung befand.
Viertens: Informationen über »amerikanische Labors zur Herstellung bakteriologischer Waffen«, für deren Existenz natürlich jegliche Beweise fehlen, tauchen immer nur in russischen Propaganda-Quellen, einschließlich ukrainischer, moldauischen und serbischer.
Um zum Schluss das Wichtigste. In der Ukraine und im benachbarten Moldawien finden bald Wahlen statt. Und für die Wahlen wurde das „bakteriologische“ Thema plötzlich wieder aufgewärmt. Aus den Archiven tauchten wieder die alten Geschichten auf, einschließlich jener, die sich schon lange als Lüge erwiesen haben, wie jene um die Labors in Tbilisi. Das legt den Verdacht nahe, das Moskau sich in dem Konflikt nicht nur auf die Ideologie der „russischen Welt“ konzentriert, sondern auch auf die Anthrax-Sporen. Auch andere Krankheiten können nicht ausgeschlossen werden. So kann die für Menschen ungefährliche Schweinepest schwere wirtschaftliche Schäden verursachen. Natürlich versucht man in solchen Fällen die russische Propaganda so effektiv wie möglich einzusetzen und eine maximal mögliche Destabilisierung zu erreichen sowie die Schuld den USA zuzuschieben.
Und auf diese Veränderungen sollten wir vorbereitet sein.
Sektion „Bravo“, „Informationeller Widerstand“ (sprotyv.info)