Von Damaskus nach Paris: destabilisierende Aspekte des hybriden Krieges des Regimes Putins

Der sowjetische Militärtheoretiker A. Svechin hat 1927 schon über subversive Aktivitäten gegen die Gegner der Sowjetunion und die Möglichkeiten seiner inneren Spaltung geschrieben: „Ein solches politisches Ziel – die Spaltung des feindlichen Staates in einzelne politische Blöcke – ist es, die innenpolitische Position zu besetzen. Manchmal ist es auch das Gegenteil. Das Ziel besteht dann darin, den Gegner politisch einzukreisen“.

Der Artikel von Wladimir Sasonow ist auf sprotyv.info erschienen.

Die selbe Taktik wendet Moskau heute an. Moskau hat in den vergangenen 10 Jahren, besonders aber in den vergangenen 5 Jahren, den Bereich der hybriden Kriegsführung wieder intensiviert. Moskau ist es gelungen unterschiedliche Destabilisierungsmethoden und Strategien zur Spaltung einzusetzen.

Beeindruckend ist der Umfang und der Maßstab der destabilisierenden Prozesse und hybriden Aggression, die von Moskau initiiert wurden, die der Kreml in irgend einer Form steuert. Die Spur des Kreml kann nicht nur in die Ukraine zurückverfolgt werden, gegen die der Kreml länger als 20 Jahre eine informationelle und destabilisierende Aggression und seit vier Jahren eine militärische Operation führt.

Die Spuren Moskauer Einflusses und Kampagnen zur Destabilisierung unterschiedlichster Art (Radikalisierung, Cyber-Angriffe, Informationskrieg, Bestechung von Politikern und Geschäftsleuten, Nützliche Idioten, wirtschaftliche Methoden, Sabotage, Aufstachelung zum Hass und andere Subversion) führt auch in den Westen, genau so wie in den Nahen Osten, Mittel-Asien u.s.w. Das ambitionierte Regime Putins hat sogar versucht Kuba, Venezuela und die Regionen Süd-Ost Asien zu nutzen, um der ganzen Welt zu zeigen, dass Russland wieder ein Global Player und Supermacht ist.

Aber Putins Supermacht hat nicht die wirtschaftliche Stärke wie zum Beispiel die USA, China, Japan oder sogar Deutschland. Die ohnehin schon schleppende russische Wirtschaft ist seit der Verhängung westlicher Sanktionen noch weiter zurückgegangen und spielt weltweit eine eher marginale Rolle. Da Russland der größte Lieferant von Öl, Gas und Waffen ist, versucht man damit zu spielen und andere Länder zu erpressen, zum Beispiel bei der Lieferung von Gas.

Das Imperium glänzt nicht mit den neuesten Technologien. Auch die menschlichen Ressourcen des größten Flächenstaates der Welt sind mit ungefähr 144 Millionen Menschen eher gering. Das ist sogar weniger, als in Pakistan oder Nigeria. Eine schlechte Prognose für die demografische Entwicklung des Landes, eine marode und zusammengebrochene Infrastruktur, eine schwache Industrie und andere wirtschaftliche und soziale Probleme, verwandeln Russland schnell in ein Land der Dritten Welt verwandelt und nicht wächst.

Mit der zweitgrößten Armee der Welt (zumindest nach offiziellen Angaben) stellt der größte Atomvorrat des Kremls sowie sein etabliertes und reichhaltiges Arsenal an destabilisierenden Waffen jedoch eine ernsthafte Sicherheitsbedrohung dar und bleibt ein wichtiger regionaler Akteur, der in der Lage ist, seine unmittelbaren Nachbarn und entfernten Länder ernsthaft zu schädigen.

Wie bekannt ist, hat unter Wladimir Putin in führen Eliten ein grundlegender Sinneswandel stattgefunden, der auch die ideologischen Perspektiven des „neuen“ Moskaus wiederspiegeln. Nach der Jelzin-Ära bestimmen den Kreml erneut imperiale Ambitionen, Revanchismus und der Wunsch das ein großes Reich wieder herzustellen. Schon in den ersten Jahren sprachen Putin und seine begeisterten Anhänger von der Wiederherstellung der Größe der ehemaligen Sowjetunion sowie darüber, dass der Zerfall der UdSSR eine riesige geopolitische Katastrophe war.

Die Neo-Imperialisten sprachen darüber, dass Putin der neue Sammler der russischen Erde ist und das die Zeit gekommen sei, die Steine zusammenzutragen. Einer der Wünsche Moskaus besteht darin, in der ganzen Welt den Eindruck zu erwecken, dass Moskau als Global Player auf die Weltbühne zurückgekehrt ist.

Aus vielen Gründen versucht das Regime Putins verzweifelt an das Erbe der Sowjetunion anknüpfen und möchte nicht von der Idee Abstand nehmen, das Imperium auf seinen Trümmern der Vergangenheit aufzubauen und eine neue eurasische Supermacht zu werden.

Genau aus diesem Grund versorgt der Kreml die Taliban mit Waffen, unterstützt das Regime Assad in Syrien. Genau aus diesem Grund hat der Kreml die Ukraine überfallen, in dem es die Krim besetzt und die Marionetten-Regierungen in den Pseudostaaten LNR und DNR unterstützt.

Genau aus demselben Grund hat der Kreml 2008 Georgien, Süd-Ossetien und Abchasien, führt unterschiedliche Cyber-Attacken und destabilisierende Angriffe gegen europäische Länder und die USA. Das erste dieser Schwälbchen war die Bonze-Nacht in Talinn im April 2007. Nicht zu vergessen die Einmischung in demokratische Wahlen in westlichen Ländern, wie zum Beispiel in den USA und in Frankreich in den Jahren 2016-2017. Der Kreml spielte im Brexit eine gewisse Rolle und nutzte auch die katalanische Krise von 2017- um die Stabilität in Spanien und ganz Europa zu erschüttern. Jetzt ist er wahrscheinlich an den Protesten der „gelben Westen“ in Frankreich beteiligt.

Der Informationskrieg ist nur eine von vielen Komponenten im hybriden Krieg des Kreml, aber vielleicht die gefährlichste und weitreichendsde. Aber es eine der bekanntesten Methoden, Techniken und Tricks des Kreml, dessen Ziel die Zerstörungen der heutigen Weltordnung und die Schädigung der kollektiven Sicherheitsarchitektur ist. Der Kreml speilt auch die Karte der Unberechenbarkeit, um die Illusion zu erhalten, dass niemand vorhersehen kann, wo der Kreml als Nächstes zuschlägt. Die asymmetrischen Handlungen, Fälschungen, dass Abstreiten von Beteiligungen an Verbrechen jeder Art (zum Beispiel die Vergiftung von Sergey und Julia Skripal mit Novitschok oder der Abschuss von MH17) sind nicht nur eine Taktik des Kreml, sondern ein klares Zeichen der Schwäche des Putin-Regimes.
Putin und sein Umfeld wollen um jeden Preis an der Macht bleiben. Dafür benötigen sie ständig neue Narrative über innere und äußere Feinde. Auf diesen basiert weitestgehend ihre Macht. Einen offenen Angriff gegen den Westen schein Moskau nicht zu wagen. Vermutlich verfügt der Kreml nicht über ausreichend Ressourcen. Aus diesem Grund setzt er subversive Methoden ein und behauptet anschließend, dass man damit nichts zu tun hat. Oder man präsentiert eine Lüge, dass man „nicht da ist“. Du musst beweisen, dass es deine Schuld ist.

Aber warum braucht der Kreml das alles? Die Antwort ist ziemlich banal. Das Putin-Regime ist äußerst ehrgeizig und will, wie bereits erwähnt, eine Supermacht sein. Es verfügt zu diesem Zweck nur über ein unvollständiges Arsenal, eigentlich nur über eine mächtige Propaganda-Maschine, eine bedeutende Armee und große Öl- und Gas-Ressourcen. Das reicht jedoch nicht aus, um mit den großen Speilen wie den USA und China mitzuhalten. Der Kreml ist sich dessen bewusst, und deshalb versucht der Kreml, ständig im Blickfeld zu sein, darüber zu sprechen, in Betracht zu ziehen, zu respektieren und sogar gehasst zu werden, verachtet zu werden, aber vor allem Angst zu haben. Das ist das Prinzip der kriminellen Elite und drückt sich in dem Sprichwort aus: „Sie haben Angst, also respektieren sie uns“.

In dem Artikel „Die grundlegenden Ziele des Putin-Regimes – Wiederherstellung des Imperiums in den Grenzen der Sowjetunion und die Erlangung des europäischen Einflussbereiches“, erschienen auf dem Portal von „Informationeller Widerstand“ schrieb ich „Das wesentliche Ziel des Putin-Regimes ist die Wiederherstellung des Imperiums in den Grenzen der Sowjetunion und Rückgewinnung seines Einflusses in Europa. Seine Pläne sind jedoch ehrgeiziger als die einfache Wiederherstellung des sowjetischen Lagers. Die eurasische Union oder die allgemein bekannte „Russische Welt“ sind nur eines von vielen Ideen Putins. In einer Reihe europäischer Länder wurden russische Zentren gegründet oder werden grade aufgebaut. Ziel dieser Einrichtungen ist es, die Innenpolitik der Länder zu beeinflussen. Mit diesem Ziel werde die Pläne zur Destabilisierung der Gesellschaft und politischen Systeme.“ (Sasonow 2016)

Trotz einiger taktischer Erfolge bei der Schaffung von Problemen und Brutstätten der Destabilisierung ist die von Moskau gewählte Strategie im Wesentlichen falsch und zudem für Russland und sein Volk katastrophal. Der Kreml riskiert sogar, in Europa in völliger Isolation zu bleiben und könnte sogar den letzten und ohnehin schon wackeligen Kredit des untergrabenen Vertrauens verlieren. Aber da ist noch etwas anderes. Sollten wir nicht vergessen, zu was das Regime Putins fähig ist? Zu welchen neuen Mitteln könnte Putin und seine Umgebung greifen? Überall, wo Moskau das nächste Mal zuschlagen, die Situation zu eskalieren oder destabilisierende Prozesse in Gang setzen könnte, sollte alles vorbereitet sein, dem Aggressor in angemessener Art und Weise entgegen zu treten.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Tartu (Estland), Teilnehmer des internationalen Informationskonsortiums „Bastion“ Wladimir Sasonow.

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