Wer verdient am syrischen »Sieg«?

Am 11. Dezember 2017 hat der russische Präsident auf dem Luftwaffenstützpunkt Khimeim die „Niederlage der stärksten kampfbereiten Gruppe der internationalen Terroristen“ verkündet. Er befahl den Rückzug der russischen Truppen aus Syrien. Als einziger Sieger im Kampf gegen den IS sprach Putin über die Zukunft Syriens und seine Unterstützung beim Wiederaufbau des Landes. In seinen Reden erweckte er den Eindruck, dass die internationale Koalition nichts unternommen hätte. Er behauptete, dass die Operation ohne das Eingreifen Russlands zum Scheitern verurteilt war.

Aber ist das wirklich so? Betrachten wir die Errungenschaften und die Ausfälle Russlands in diesem Krieg der Reihe nach.

Nach der offiziellen Darstellung wandte sich der syrische Präsident Bashar Assad mit der Bitte an Russland, sein Land im Kampf gegen den IS zu unterstützen. Die Realität sah leider etwas anders aus. Ein wesentlicher Grund besteht darin, das Syrien ein wichtiger Partner im Nahen Osten ist und der Kreml seinen Einflussbereich nicht verlieren wollte. Laut Veröffentlichungen auf Bloomberg geht die Militäroperation in Syrien auf eine Initiative des russischen Verteidigungsminister Sergej Shoigu, des Sekretärs des Sicherheitsrates Nikolai Patruschew und den Leiter der Administration des Präsidenten Sergej Iwanow zurück. Schon im Frühjahr 2015 begann man die Möglichkeit einer militärischen Intervention in Syrien zu prüfen. Ein weiterer Grund für das Engagement in Syrien ist die Möglichkeit, die internationale Gemeinschaft von der Entwicklung in der Ukraine abzulenken. Außerdem wollte man die Koalition dazu bewegen, die bestehenden Sanktionen zu lockern oder ganz aufzuheben.

Im Verlaufe der Operation wurden durch Luftangriffe der russischen Luftwaffe 35000 Kämpfer des IS und 2183 Zivilisten, darunter auch Kinder, getötet. Das berichtet das Zentrum zur Dokumentation der Verbrechen in Syrien. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, das jede 20. Person, die vom russischen Militär getötet wurde, ein Zivilist war. Da hat man die Zahl der Verwundeten und Verletzten noch gar nicht betrachtet.

Auch auf die Zerstörung von Krankenhäusern, Schulen, privaten Häusern, Märkten, Moscheen, Bäckereien, Fabriken und Flüchtlingslagern wurde noch nicht eingegangen. Nach Angaben von Amnesty International wurden von September 2015 bis März 2016 mindestens 27 Krankenhäuser von russischen oder syrischen Truppen angegriffen.

Die russischen Trolle liefen in dieser Zeit wieder zur Höchstform auf. In den Medien und im Internet wurden durch Bots und andere Geister behauptet, das das alles gelogen ist und eine ganz üble Provokation sei. Aber mit Fakten ist das so eine Sache. Ein Team von Journalisten von Bellingcat und Mitarbeiter des „syrischen Archivs“ dokumentieren alle Aktivitäten der russischen und syrischen Armee gegen Zivilisten sehr sorgfältig. Das Material ist heute schon mehr als ausreichend für den Internationalen Gerichtshof in Den Haag.

Eine weitere „Errungenschaft „ der russischen Armee ist die Fläche des befreiten Territoriums. Am 24. Oktober 2017 verkündete der russische Verteidigungsminister Shoigu, dass man ein Gebiet von 503 tausend Quadratkilometern befreit und gesäubert hätte. Die Fläche Syriens umfasst aber nur 185 tausend Quadratkilometer. In diesem Zusammenhang hat die restliche Welt erfahren, das Syrien sich weitere Gebiete speziell einverleibt hat. Eine Untersuchung der Nachrichtenagentur BBC ergab, das Russland seine Reliefkarten zur Bestimmung der Fläche zu Grunde legte, nicht die plane Betrachtung wie allgemein üblich. Die Befreiung des dreifachen Gebietes Syriens ist natürlich ein großer Sieg, aber ein Sieg über die Vernunft und nichts anderes.

Laut Shoigu hat die russische Luftwaffe in Syrien 984 Trainingslager, 666 Fabriken und Werkstätten zur Herstellung von Munition und 1500 militärische Fahrzeuge der Terroristen vernichtet. Außerdem hat die russische Koalition große Verbände des IS in den wichtigsten Gebieten zerschlagen und 998 Städte und Gemeinden befreit. Nach diesen Angaben entsteht der Eindruck, das Syrien nur von Russland und seinen Vasallen befreit wurde. Und der Rest der Welt hat nicht verstanden, was vor sich ging. Maria Zakharova, die Leiterin der Pressestelle des russischen Außenministeriums, meinte dazu, das die USA nur von den militärischen Errungenschaften Russlands profitieren wollten und sogar russisches Eigentum beschlagnahmen.

Schauen wir uns die Daten, die auf Wikipedia veröffentlicht wurden, einmal genauer an. Demnach hatte die russische Luftwaffe in 77.000 Angriffen auf die Terroristen 35.000 Kämpfer, 948 Trainingslager und 666 Fabriken und Werkstätten, sowie 1500 Fahrzeuge vernichtet. Wenn man unterstellt, das bei jedem Angriff nur ein Ziel getroffen wurde, fehlt die Erläuterung für 38 tausend Angriffe. Entweder deutet diese Zahl auf die hohe „Professionalität“ des russischen Militärs hin oder man hat Ziele bekämpft, über die man lieber nicht sprecht.

Schauen wir uns nach den Erfolgen der russischen Expedition in Syrien mal die Verluste an. Offiziell hat Russland den Tod von 41 Soldaten bestätigt. Aber das sind nur die offiziellen Zahlen, die die wahren Verhältnisse nicht wieder geben. Es ist auch gängige Praxis auf diesem Wege die eigenen Verluste auf der Krim oder im Donbass zu verschleiern. Es ist auch bekannt, dass die private Söldnerarmee Wagners mit der stillschweigenden Zustimmung Putins in Syrien eingesetzt wurde.
Das Prinzip ist letztendlich ganz einfach. Es besteht kein Grund die Daten zu manipulieren oder zu rechtfertigen. Denn offizielle Daten zu den eigenen Gefallenen und Verwundeten werden nicht erhoben oder veröffentlicht. Nach Angaben der Zeitschrift Fontanka wurden ungefähr hundert Personen getötet und 300 verwundet. Russland bestätigt die eigenen Todesopfer erst, wenn die Verantwortlichen aus der internationalen Presse davon erfahren.

Die heutige Konstellation in Syrien ist für Putin und sein Umfeld alles andere als rosig. Ober der lautstark verkündete Sieg wirklich ein Sieg ist oder eher ein Pyrrhus-Sieg, wird die Zukunft zeigen.

Der Artikel basiert auf einer Veröffentlichung bei sprotyv.info – Der russische Sieg in Syrien.